GRUNDBEGRIFFE DER TEXTANALYSE UND INTERPRETATION

StD Wolfgang Winter
DS Barcelona 1986

Neubearbeitung:
Hölderlin-Gymnasium
Nürtingen 2004

4. Rhetorische Mittel/Stilfiguren

4. Rhetorische Mittel/Stilfiguren

Schon in der Antike wurde die Lehre von den Stilfiguren entwickelt. Der Einsatz dieser Stilfiguren hängt stark von den jeweiligen Epochen und den Gattungen ab.

4.1 Wortfiguren

4.1 1 Die Hyperbel

Durch eine Hyperbelwird mehr ausgedrückt, als gemeint ist; die Hyperbel ist eine Übertreibung (Adj. hyperbolisch).

Es regnet in Strömen.

4.1.2 Die Litotes

Die Litotes ist im Gegensatz zur Hyperbel eine Untertreibung.

Es war nicht unklug von ihm, dass er dies getan hat.

Wie man sieht, will das Beispiel eigentlich ausdrücken, dass es von ihm sehr schlau war. Im Deutschen häufig mit doppelter Verneinung wirkt die Litotes meist ironisch.

4.1.3 Der Euphemismus

Der Euphemismus ist eine Umschreibung, die Fakten und Sachverhalte harmlos macht, sie beschönigt. Sie wurde in auffallender Weise in der Sprache des Nationalsozialismus benutzt.

„entschlafen” für „sterben”

„Schutzhaft” für die Gefangenschaft im Konzentrationslager

4.2 Satzfiguren

4.2.1 Das Asyndeton

Satzteile oder Sätze werden ohne Konjunktionen miteinander verbunden. Man spricht dann auch von asyndetischer Reihung. Die Funktion ist unterschiedlich. (vgl. 1.2.2.2.1)

O Haar, Stirn, Blick, Brust, Hand!

aus: Georg Rudolf Weckherlin, „Von ihrer Schönheit Wundern”

4.2.2 Das Polysyndeton

Das Polysyndeton ist eine Häufung von Konjunktionen. Die Funktion der polysyndetischen Reihungist unterschiedlich; meist dient sie zum Ausdruck davon, dass etwas ohne Pause geschieht.

Er läuft und läuft und läuft.

Frühere VW‑Werbung für den „Käfer”

4.2.3 Der Parallelismus

Beim Parallelismus bleibt die Satzform gleich bei inhaltlicher Veränderung.

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll.

aus: Goethe, „Der Fischer”

4.2.4 Die Ellipse

Bei der Ellipse fallen Satzteile weg, die unwichtig erscheinen; Adj. elliptisch. Die Ellipse kann unterschiedliche Gründe haben.

Ich bitte dich ‑ Siehst du, mit mir ist‘s aus, ich trag es nicht länger! Heute saß, ich bei ihr ‑ saß, sie spielte auf ihrem Klavier mannigfaltige Melodien, und all den Ausdruck! all! -all! Was willst du?

aus: Goethe, „Die Leiden des jungen Werther”, II. Buch, Brief vom 4.12.

Hier wird deutlich, dass Werther aus lauter Verzweiflung nur noch Ellipsen herausbringt.

4.2.5 Die Aposiopese

Bei der Aposiopese wird ein Satz nicht zu Ende geführt. Das geschieht häufig bei Flüchen, weil man ein Wort nicht aussprechen will, oder bei etwas Unerwünschtem.

Dass dich der ....  (Teufel hole!)

Ich könnte es sagen, aber ....

4.3 Gedankenfiguren

4.3.1 Die rhetorische Frage

Die rhetorische Frage ist eine scheinbare Frage. Eine Antwort wird nicht erwartet.

Soll ich noch einmal auf alle Fehler eingehen?"

4.3.2 Die Antithese

Die Antithese ist eine Entgegensetzung von polaren Sätzen und Wörtern.

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden!
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
wo jetzund Städte stehn, wird eine Wiese sein.

aus: Andreas Gryphius, „Es ist alles eitel”

4.3.3 Das Oxymoron

Beim Oxymoron liegt eine Verbindung von widersprüchlichen Begriffen vor.

„süßsauer”, „alter Knabe”

4.3.4 Das Paradox

Das Paradoxenthält eine scheinbar zugleich wahre und falsche Aussage.

Alles ist Nichts, und Nichts ist alles.

4.4 Klangfiguren

4.4.1 Die Anapher

Die Anapher ist die Wiederholung eines Wortes am Satzanfang oder am Anfang einer Verszeile.

Nacht, mehr denn (als) lichte Nacht! Nacht, lichter als der Tag!
Nacht, heller als die Sonn'! in der das Licht geboren,

aus: Andreas Gryphius, „Über die Geburt Jesu”

4.4.2 Die Lautmalerei/die Onomatopöie

Die Onomatopöie dient dazu, einen Naturlaut oder den Klang einer Sache nachzuahmen:

Es lispeln und wispeln die schlüpfrigen Brunnen.


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