Tilman Röhrig: In 300 Jahren vielleicht

Der Roman spielt im Oktober 1641 in einem Dorf namens Eggebusch. Fünf Tage im Dreißigjährigen Krieg, die Menschen des Dorfes kämpfen tagtäglich ums Überleben, sie gehen ihrem Handwerk nicht mehr nach, Landwirtschaft findet nicht statt, ständig besteht Gefahr, daß Soldatenhorden das Dorf überfallen und plündern.
Die Hauptpersonen sind der Küster Mathias Hobe, seine Frau Elsa und deren Kinder Tobias (14) und Anne (13). Des weiteren der Weißgerber Christoph Markart und seine schwangere Frau Ursula, und deren Kinder Jockel (15), Maria (13), Elisabeth (9), Valentin (10), Leonhard (6). Desweiteren ist da der Dorfvogt, seine Frau und seine Tochter Katharina, in die Jockel heimlich verliebt ist, und es gibt den Kriegsinvaliden und Amtsdiener Veit.

Es beginnt mit dem Spiel der Kinder, dabei werden sie von "Soldatenweibern" und deren Kindern überfallen und beraubt (10 tote Mäuse). Damit ist allen klar: Soldaten werden bald kommen. Tatsächlich kommt eine Horde, plündert, mordet und vergewaltigt, und hierbei kommt auch die Tochter des Küsters, Anna, um. Die Trauer der Eltern ist groß, ebenso die Ratlosigkeit der Dorfbewohner. Soll man das Dorf endgültig verlassen und in die Wälder gehen?

Am folgenden Tag gebiert Ursula einen Sohn, den sie David nennen, denn der kleine David hat den Riesen besiegt. Von ihm, dem schwächlichen Säugling, geht ein Hoffnungsschimmer aus und der Dorfvogt hat die spontane Idee, ein Fest zu veranstalten, bei dem die Dorfbewohner ihr Weniges zusammenbringen und fröhlich sein sollen. Der hinkende Amtsdiener Veit schleicht sich mit den Jungs Jockel und Tobias zum Soldatenlager, wo er Käse und Wein stiehlt, dafür aber erwischt und grausam gequält wird. Aber er ist hart und schafft den Weg zurück.
Der Dorfvogt leitet die Vorbereitungen und inmitten allen Elends und Armut schaffen es die Dörfler von Eggebusch, ein Fest zu feiern, bei dem dünner Wein getrunken, gesungen und getanzt wird. Der Küster und seine Frau können die Freude nicht teilen, sie halten auf dem Kirchturm mit dem einzigen Gewehr des Dorfes Wache.
Das Fest ist vorbei, der nächste Morgen graut. Der schwache Säugling David ist über Nacht gestorben. Sein Körper wird in einen Sack eingenäht und zum Friedhof gebracht zur raschen Beerdigung. Da rücken die Landsknechthorden wieder heran und es ist zu spät für die meisten Dorfbewohner, sich in Sicherheit zu bringen. Die Weißgerber-Familie versteckt sich gleich hinter der Friedhofsmauer und wird Zeuge, wie die Soldaten die Bewohner auf dem Dorfplatz zusammentreiben und furchtbar quälen.
Währenddessen kommen zwei Soldaten in des Küsters Haus, Elsa Hobe, die Trauernde, ersticht einen der beiden, es kommt zum Kampf, der bald zu Ende ist, und die wütenden Soldaten metzeln die Dorfbewohner nieder.
Nur Jockel und seine Familie bleiben unentdeckt, auch Amtsdiener Veit, und nun müssen sie in die Wälder gehen. Doch Jockel weiß, wo seine Katharina immer versteckt wurde, nämlich in einem Erdloch, der sonst als Vorratsschacht diente, und tatsächlich findet er sie dort unversehrt. Auch sie geht nun mit in die Wälder.

Kurzkommentar: Das Buch ist sehr eindringlich und verlangt einen mitdenkenden Leser, denn nicht nur die Vielfalt der Namen verwirrt zuerst, sondern auch die nur in Andeutungen gehalten Situationen, die eher skizzenhaft als ausführlich gehalten sind. Gewisse Formen der Verfremdung und ständiger Szenenwechsel können das Lesen schwer machen, dennoch hat die Geschichte ihre eigene Faszination, die zum Weiterlesen zwingt. Andererseits ist die Lektüre deprimierend, ja erschütternd, und das Buch enthält soviel Grausamkeit und Unmenschlichkeit, soviel Elend und Unglück, daß es bei mir den Zweifel am Menschen erregt hat. Die Schilderung der Soldaten und ihrer entmenschten Grausamkeit, das Ausgeliefertsein der Dorfbewohner, die Grässlichkeit eines Krieges, der sich selbst ernährt, all dies ist schwer auszuhalten und veranschaulicht eine alte These, dass nämlich der Mensch, wenn die dünne Decker der Zivilisiertheit, zerstört ist, zum Unmenschen wird.
Aber es gibt da auch noch die Dorfbewohner, die Frauen und die Kinder, die still leiden und irgendwie an ein Morgen glauben, auch wenn es dafür keine guten Gründe zu geben scheint. Die Hoffnung des Lesers jedoch, dass deren Leiden mit dem veranstalteten Fest zu Ende gehen und ein neuer Anfang beginnt, wird bitter enttäuscht.



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2001

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