Ursula Wölfel: Mond Mond Mond.

Erschienen bei Thienemann, Stuttgart 1994, 144 Seiten

Nauka und Pimmi
September. Einige Jahre nach dem Krieg.
Die fünfzehnjährige Nauka und ihre siebenjährige Schwester Pimmi, beide Zigeunermädchen, gehen ins nächste Dorf, um dort Decken zu verkaufen. Auf dem Rückweg zum Lager ihrer Sippe in einem Steinbruch verlaufen sie sich. Sie erfahren schließlich, dass ihre Sippe von der Polizei aus dem Steinbruch vertrieben worden sei und dass sich alle Männer im Gefängnis befinden. - Am Ortsrand von Otterau sitzen vier Frauen und überlegen, was zu tun ist: Großmutter Mara, die Sippenälteste und -chefin, sowie deren Töchter Jerika, Ninja und Savina. Savina ist die Mutter von Nauka und Pimmi und sehr besorgt wegen deren Ausbleiben. Die Frauen beschließen sich zu trennen: Die einen fahren voraus, die anderen bleiben und warten auf die Männer.

Sara und Macki
Am nächsten Morgen wandern die beiden Mädchen zu dem Steinbruch, wo sie in einer Felsspalte eine holzgeschnitzte Marionette finden, Sara, deren Hände ihnen den Weg nach Süden weisen. Dort finden sie auch ihre Katze Macki wieder. Sie marschieren weitern den ganzen Tag, Pimmis Fuß ist verletzt, ein Arzt verbindet ihn und bietet an, sie nach Otterau zur Polizei zu bringen, da rennen die Mädchen weg und verstecken sich. Am Abend machen sie sich einen Schlafplatz im Heu. - Denselben Abend sucht der Sippen-Älteste Panelon mit seinem Pferd Ringelblume in der gleichen Gegend ein Nachtquartier und findet ein rotes Band aus dem Haar der Puppe Sara.

Panelon und Ringelblume
Der alte Panelon, der immer diese Anfälle von tiefer Traurigkeit hat, zieht am nächsten Morgen weiter und verkauft in Otterau erfolgreich seine Holzbestecke. Dann kann er der Versuchung des Wirtshauses nicht wiederstehen und er lässt sich zu ein paar Gläsern Apfelwein einladen. Im Gegenzug unterhält er die Leute mit fantastischen Geschichten. Der Wein steigt ihm zu Kopf, die große Traurigkeit überkommt ihn, da finden ihn die Kinder und führen ihn weg. Beim Amtsgericht erfährt Naukaa von einem Polizisten, dass die Männer noch im Gefängnis sind und die Frauen keine Aufenthaltserlaubnis mehr hatten. - Wohin jetzt? Was ist Panelons Geheimnis? Was wurde aus seiner Frau und seinen Kindern? Was hat es mit den roten Felsen auf sich?

Dschabri und Dschabris Schwestern
sind ein Huhn und zwei Küken, welche Panelon an diesem Tag besorgt und welche dann doch nicht gegessen werden. - Pimmi beschäftigt die Frage, was es mit den roten Felsen” auf sich hat, auf der Suche nach Anwort wagt sie sich am folgenden Tag sogar in eine Dorfschule, obwohl sie vor der Schule Angst hat. Ein freundlicher Lehrer versteht ihr Problem und vermutet, dass diese roten Felsen an der französischen Grenze jenseits des Rheins liegen, da dort sich im Krieg Schreckliches zugetragen hat. Er gibt Pimmi eine Landkarte mit. - Sie beschließen sich auf den Weg über den Rhein zu machen.

Parni und die verlorenen Kinder
Sie fahren über den Rhein und gelangen außerhalb einer großen Stadt zu einem Zigeunerlager, welches von Leuten bewohnt wird, die Panelon zu kennen aber ihm auszuweichen scheinen. In Panelons Abwesenheit erfahren die Mädchen von der Zigeunerfrau Migra, wie es den Zigeunern zur Zeit der Braun- und Schwarzhemden ging und wie sie schließlich fliehen mussten. Panelons Geschichte aber erfahren sie von Männern aus dem Dorf: In jener Nacht, als die letzten Zigeunersippen versuchten mit ihren Wagen den Rhein an einer Furt zu überqueren, saß Panelon im Wirtshaus, trank und erzählte fantastische Geschichten. Seine Frau Parni und die Kinder warteten auf ihn bis es zu spät war und sie von den Nazis gefangen und mitgenommen wurden. Das war ihr Ende, nur ein Baby wurde noch im Busch gefunden, es war Mateo, der jüngste. Die Zigeuner haben daraufhin Panelon aus allen Gemeinschaften ausgeschlossen, bis Mara ihn und Panelon in ihre Sippe aufnahmen. Sein Sohn Mateo schnitzt Marionetten (Sara), schreibt Stücke für das Marionetten-Theater und wird vielleicht Naukas Mann.

Mara und ihre Töchter
Sie brauchen einige Zeit für den Weg zum Winterlager, wo es auch Baracken und andere Zigeunerfamilien gibt. Es wird kalt und die Mädchen müssen betteln gehen. Pimmi macht das gern und erfolgreich. Schließlich stoßen sie wieder mit der Sippe Maras zusammen. Sie feiern das große Wiedersehensfest - auch weil die Männer in der Zwischenzeit wieder frei gelassen wurden, sie feiern mit Gedichten, Musik und Tanz. Aber Nauka ist unglücklich, weil ihr Mateo mit einem anderen Mädchen, der taubstummen Tereina, tanzt.

Mateo und Tereina
Während die einen Besen und Körbe verkaufen, gehen Nauka und Mara betteln. Nauka will das nicht, aber die alte Mara erklärt ihr, warum das für Zigeuner keine Schande ist und warum sie nicht so leben wollen wie die Gadsche”, die Nicht-Zigeuner. - Die taubstumme Tereina hilft Mateo beim Basteln seiner Puppen, dies beobachtet nicht nur Nauka mit Trauer, sondern es beunruhigt auch ihre Eltern, denn schließlich sind sich die beiden versprochen. Pimmi findet heraus, in welcher Baracke das taubstumme Mädchen wohnt und erfährt, dass es dort von einem Stiefvater, einem Hausierer, ausgenutzt und schlecht behandelt wird. Als Mara diese erfährt, verflucht sie den Mann öffentlich und übergibt Tereina einem kinderlosen Ehepaar in der Sippe. Der Hausierer und seine Frau verlassen am nächsten Tag die Siedlung. - Da der Winter naht, mieten und beziehen Mateo, Panelon und einige andere winterfeste Barackenräume. Diese werden hergerichtet und in einem kleinen Fest eingeweiht. Dabei singt Nauka ein trauriges Liebeslied.

Winter und Frühling
Im Winter bringt Mateo der taubstummen Tereina das Lesen und Schreiben bei, Nauka wird darüber immer unglücklicher, in der Sippe gibt dies viel Gesprächsstoff. - Pimmi belauscht eine Familienversammlung und erfährt, dass ihre Großfamilie am übernächsten Morgen heimlich das Lager in Richtung Südfrankreich verlassen wird. Savina, Pimmis Mutter erwartet ein Kind, es soll dort zur Welt kommen. Pimmi kann das Geheimnis nicht für sich behalten und lässt es sowohl Mara als auch Mateo wissen. - Tatsächlich bricht der "Zirkus Dinelo" im Morgengrauen auf und fährt auf der rechten Rheinseite nach Süden. Aber wenig später bricht auch der andere Teil der Sippe mit Mateo und Panelon auf, sie ziehen auf der linken Rheinseite nach Süden.

Der Schlüssel zum Tor des Glücks
Sie kommen nach Avignon, von einer älteren Zigeunerin bekommen sie mitgeteilt, wo sie lagern sollen. In der Nähe dieses Lagers finden Nauka und Pimmi eines Tages im Wald die Puppe Sara (vgl. 2. Kapitel) an ein verrostetes Tor gelehnt. Hinter diesem Tor liegt ein verfallenes Schloss in einem verwilderten Garten. Dort lagert Mateo mit dem anderen Teil der Sippe. Endlich haben sie sich wieder gefunden. Man feiert das Wiedersehen und die Väter von Mateo und Nauka vereinbaren die Hochzeit der beiden auf dem kommenden Sarafest. Naukas Mutter, Savina, bekommt noch in dieser Nacht ihr Kind. - Zum Sarafest an der Südküste brechen sie sechs Wochen später auf, feiern dort die Hochzeit von Nauka und Mateo und nehmen tags drauf an der Prozession teil, bei der eine Marienstatue ins Meer getragen wird und vom Meer aus ein Bischof die Zigeuner segnet.

Mein Kommentar:
Der Roman beschäftigt sich nicht zuallererst mit den Schattenseiten des Zigeunerlebens und deren Diskriminierung durch Nicht-Zigeuner. Vielmehr stellt der Roman das alltägliche Leben und die Mentalität der Zigeuner in den Mittelpunkt, ebenso die Glaubensgrundsätze, nach denen sie handeln. Es lässt zwar den Hass erkennen, den viele sesshafte Menschen auf die Zigeuner haben, dieser wird aber nicht dramatisch ins Szene gesetzt.
Die Absicht der Autorin ist deutlich: Der Leser soll sich in diese fremde Kultur mit ihren eigenen religiösen und moralischen Wertvorstellungen hineinversetzen, auf diese Weise sollen Vorurteile gegen Zigeuner und deren Erscheinungsbild abgebaut werden.
Der Roman ist nicht sehr spannend und zuweilen sogar etwas verwirrend, seine Vorzüge liegen vor allem in der Einfühlsamkeit, mit der das Leben und Denken der Zigeuner gleichsam von innen heraus, aus deren Perspektive geschildert wird.


Klappentext
Mit Tanzen, Puppenspiel und Feuerschlucken verdienen sie ihren Lebensunterhalt. Einmal hier, einmal dort schlagen sie ihr Lager auf. Einmal hier, einmal dort sehen die Kinder den wandernden Mond hinter den kleinen Wagenfenstern vorüberziehen. Da werden Nauka und Pimmi von ihrer Sippe getrennt und machen sich zusammen mit dem wunderlichen alten Panelon auf die Suche nach den roten Felsen und ihrem tragischen Geheimnis.
Ursula Wölfel wurde für ihr Gesamtwerk mit dem 1991 erstmals verliehenen Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet.

Autorenporträt
Ursula Wölfel, 1922 im Ruhrgebiet geboren, studierte Germanistik in Heidelberg. Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete sie als Schulhelferin im Odenwald, absolvierte ein Pädagogikstudium und wurde Sonderschullehrerin. Seit 1961 ist Ursula Wölfel freie Schriftstellerin, seit 1972 PEN-Mitglied. Ihre Bücher wurden mit vielen nationalen und internationalen Preisen und Auszeichnungen gewürdigt. 1991 erhielt Ursula Wölfel den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für ihr Gesamtwerk.


Zum Anfang - Zum Inhaltsverzeichnis - Klaus Dautel, ZUM e.V.

2001

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