Eoin Colfer: Artemis Fowl

Viking, Penguin Books Ltd, 2001

Der SPIEGEL (2. Mai 2001, siehe unten) und jetzt auch die ZEIT (16. August 2001) präsentieren der noch ahnungslosen deutschen Leserschaft eine Harry-Potter-Nachfolge-Geschichte der besonderen Art, nachdem die Harry-Potter-Autorin eine längere kreative Pause angekündigt hat: ARTEMIS FOWL
(fowl (engl): Haushuhn, Truthahn, Geflügelfleisch)

Worum geht es in diesem Buch?

Artemis Fowl ist 12 Jahre alt, ein kriminelles Wunderkind, stammt aus einem alten irischen Geschlecht von Kriminellen und hat sich in den Kopf gesetzt, an die sagenhaften Goldschätze der Elfen zu kommen. Mit Hilfe seiner Genialität, eines topfitten Leibwächters und modernster Computerausrüstung (von Apple übrigens) gelingt es ihm zuerst an das geheime Zauberbuch der Elfen heranzukommen, dieses zu entschlüsseln und dann einen weiblichen Offizier der Elfen-Sicherheits-Polizei zu kidnappen. Diese streitbare Elfin, sie heißt Holly Short und ist nicht größer als einen Meter, was für Elfen normal ist, hält Artemis Fowl in seinem Schloss in der Nähe von Dublin gefangen und fordert mit dieser Geisel nun die Elfenwelt heraus. Diese wiederum mobilisert ihren ganzen high-tech-Sicherheitsapparat unter Leitung von Commander Root, Hollys cholerischem Vorgesetzen, um die Schmach und das tödliche Risiko für die gesamte unter- und oberirdische Zivilisation zu verhindern, denn bisher war es den Elfen gelungen, ihre Welt vor den mud-people” (Menschen) geheim und damit auch sicher zu halten. Schließlich machen diese einst aus dem Schlamm herausgekrochenen Kreaturen alles kaputt, was sie in ihre gierigen und verantwortungslosen Hände kriegen. Beispiele dafür sind in der Oberwelt allerorten zu sehen und dieser Artemis Fowl ist ein Musterbeispiel.
Der Verteidigungskampf der vereinten Unterwelt (Elfen, Trolle, Zwerge und auch ein Centaur) gegen Artemis Fowl und seinen Butler nimmt also seinen ziemlich gewalttätigen Lauf, zuweilen liest sich die Handlung wie das Drehbuch zu einem Action-Film oder einem James-Bond-Film entnommen. Schließlich kriegt Artemis Fowl zwar nicht die Strafe, die er verdient, aber so richtig gewonnen hat er auch nicht. Klar ist nur, dass weitere Übeltaten dieses Übeltäters und weitere spannende Auseinandersetzungen mit der besseren Welt, der Unterwelt, zu erwarten sind.

Da ich den Roman gelesen habe, noch bevor er auf den deutschen Markt gelangt ist, wundere ich mich etwas über die Art und Weise, wie er von den deutschen Medien präsentiert wird: Für mich ist die Figur des Artemis Fowl keine Fortsetzung der Harry-Potter-Figur, sondern ist in seiner ganzen persönlichen und moralischen Anlage als dessen Gegenstück anzusehen. In der Harry-Potter-Welt wäre Artemis Fowl dessen Todfeind, weil dieser sich als Mensch der Magie bemächtigt um damit Böses zu tun bzw. etwas typisch Menschliches: Nämlich sich zu bereichern.

Die Figur, die Harry Potter am nächsten kommt, ist die Elfin Holly Short, die nicht zur Heldin taugt und sich dennoch heldenhaft sowohl gegen den eigenen Vorgesetzten Root als auch gegen den menschlichen Bösewicht Fowl durchzusetzen hat. Die Sympathie des Lesers, vor allem des Jugendlichen, müsste auf ihrer Seite stehen und das Buch müsste ihren Namen im Titel tragen statt den des kriminellen Mastermind Fowl. Dass dieser und sein schlagkräftiger Butler am Schluss noch am Leben sind verdanken sie übrigens Holly Short.

Auch im Sprachstil, in der Liebe zum Detail und in der Ausgestaltung der Figuren ist "Artemis Fowl" nicht mit den Harry-Potter-Geschichten vergleichbar: Die Sprache ist zwar flott, aber ohne große Originalität, die Artemis-Fowl-Unter- und Oberwelt ist ziemlich spärlich geraten und die Figuren tragen recht klischehafte Züge: Der cholerisch-gutherzige Vorgesetzte Root, dessen beförderungsgeiler Konkurrent Cudgeon, der High-Tech-Freak Foaly, ein Centaur übrigens, der fiese Zwerg Mulch, der durch und durch loyale Bodyguard Butler, dessen girly-hafte kleine Schwester Juliet, das eiskalte Genie A.Fowl, die verrückte Mutter ...

Man wird abwarten müssen, ob dieser Roman überhaupt ein Erfolg wird. Bei der massiven Presse- und Marketingkampagne, die seit zwei Monaten angelaufen ist (siehe unten), dürfte zumindest für Aufsehen und eine hohe Startauflage gesorgt sein.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass die jugendliche Leserschaft Artemis Fowl so in ihr Herz schließt wie den Harry Potter.
Eines aber muss ich dem Roman zugute halten: Er ist spannend und zeitweise auch ein wenig witzig, sonst hätte ich ihn nicht zu Ende gelesen.

Klaus Dautel (im August 2001)


    Artemis Fowl - die Abenteuer eines jungen Antihelden
    Aus dem Englischen von Claudia Felmann
    Erscheint: August 2001 im List Verlag DM 35,20

    Eoin Colfer ist Lehrer und lebt mit seiner Frau und einem Sohn in Wexford, nachdem er mehrere Jahre im Ausland unterrichtet hat, in Saudi Arabien, Tunesien und Italien sowie Irland. Er hat bereits mit zwei Serienfiguren die Herzen der britischen Kinder gewonnen. Mit Artemis Fowl ist ihm nun der ganz große internationale Durchbruch gelungen.


Einige Pressestimmen

Auszüge aus: Der SPIEGEL vom 2.Mai 2001

A R T E M I S F O W L

Harry Potter auf der Spur

Im Land der Trolle und Zauberer herrscht Krieg. Leseratten müssen sich demnächst zwischen Potter- und Artemis-Kult entscheiden. Eoin Colfer will mit seinem magischen Anti-Helden "Artemis Fowl" den Buchmarkt erobern.

(...) Ein Lehrer mit magischen Neigungen erschafft einen vorpubertären Jungen, eine Reihe wilder Kobolde und phantastischer Feen, verknotet sie in einen Handlungsstrang, spricht die magische Formel "Harry Potter hat Unsummen von Geld eingebracht", und als der Rauch verflogen ist, hält er einen großen Topf voller Gold in der Hand.

Eine 250.000 Dollar teure Marketing-Kampagne bringt in der ersten Mai-Woche das Abenteuerbuch "Artemis Fowl" auf den Markt. Die Hollywood-Firma Miramax plant bereits die Verfilmung der Geschichte. Dabei wurde zuvor noch kein einziger Titel des Autors Eoin Colfer außerhalb seines Heimatlandes Irland veröffentlicht.

Zauberlehrlinge im Wettstreit

"Es war ein großer Schock", kommentiert Colfer seinen plötzlichen Erfolg, mit dem er offenbar nicht gerechnet hatte. Die Rechte an seinem Buch wurden bereits für 1,5 Millionen im Voraus in 18 Länder verkauft. Die Erzählung wird als Gegenstück zu den erfolgreichen Abenteuern des Zauberlehrlings Harry Potter gesehen. Gleichzeitig sucht "Artemis Fowl" eine Lücke zu füllen, denn die britische Autorin Joanne K. Rowling soll angeblich ihren fünften Harry Potter Roman nicht vor 2002 auf den Markt bringen.

"Alle Bücher, die Magie thematisieren, werden heute automatisch mit Harry Potter verglichen", weiß Colfin. Und tatsächlich bestehen zwischen Artemis Fowl und Harry Potter Ähnlichkeiten: Sie sind beide gescheite Jungen, kurz vor der Pubertät, und beide müssen ohne elterliche Unterstützung zurechtkommen. Doch damit haben die Gemeinsamkeiten auch schon ein Ende. "Die Erzählung und die Charaktere sind völlig gegensätzlich", verteidigt Colfer die Originalität seines Werkes. Während Harry Potter ein "guter" Junge ist, der gegen böse Mächte kämpft, ist Artemis ein Anti-Held, der Kobolde entführt und Geheimnisse stiehlt.

Comichelden und Martinis

Der gute Zauberlehrling: "Harry Potter"Colfer hatte Rowlings Romane nicht vor Beendigung seines Skripts gelesen. Er knüpfe eher an Heldenfiguren aus Comicgeschichten wie Batman und Superman an. Die Comics, die er als Kind gesammelt habe, seien seine Inspirationsquelle. "Mein Stil ist stark daran angelehnt. Ich mag es, die Geschehnisse ständig am Laufen zu halten."

Das Buch beschreibt den Kampf zwischen Artemis und einer Reihe von Feen, Zwergen und Trollen, die versuchen, den wahren Helden der Geschichte, den Kobold Holly Short, zu befreien. Holly Short ist ein James-Bond-artiger Spezialagent, allerdings ohne Sportwagen, Girls und Martini. Sein "Q", ein Zentaur namens Foaly, entwickelt eine mächtige Waffe für die Feen, die ihre bisherigen Zauberkräfte um ein vielfaches übertrifft. "Ich liebe James-Bond-Filme, also sind sie definitiv ein Element meiner Geschichten."

Im Bann des Bösen

Artemis' Waffen sind sein Verstand und viel Geld, nichts, was ihn bei den meisten jungen Lesern beliebt machen wird, auf die das Buch abzielt. "Ich habe immer die genialen Bösen bewundert. Ich liebe diese Figuren. Ich empfand den Schurken stets als den interessantesten Charakter in einem Buch", sagt Colfer. Am Ende der Erzählung zeigt Artemis menschliche Schwächen, mit der sich Kinder aller Alterstufen identifizieren können. Artemis' Sehnsucht nach seinem Vater und das Mitgefühl für seine sich grämende Mutter dürfte ebenfalls bei Millionen von Kindern mit zerrütteten Elternhäusern Anteilnahme erwecken.

Eoin Colfer unterrichtete Zehnjährige im Bezirk Wexford, bis er plötzlich in die lärmende Welt der Interviews und Promotion-Touren hineingesogen wurde. Derzeit macht er eine zweijährige Unterrichtspause und schreibt am zweiten Buch der auf drei Teile angelegten Artemis-Serie. (...)

Von Nigel Hunt - © SPIEGEL ONLINE 2001


Die ZEIT vom 16. August 2001

R E I C H W E R D E N

Potters Double kämpft wie Bond

Der irische Autor Eoin Colfer hat einen neuen Harry Potter erschaffen: Er ist zwölf Jahre alt, ein abgebrühter Erpresser, der Elfen entführt und mit Waffen hantiert - und ein Riesenerfolg
Von Wolfgang Runkel


BZ - Berliner Zeitung

Eoin Colfer: Der Ire, der Harry Potter das Fürchten lehrt


The Observer Interview mit Eoin Colfer
Kate Kellaway - Sunday May 13, 2001

Elf and happiness

A huge bidding war erupted over a novel from an Irish writer that mixes hi-tech with fairies and has as its hero the 12-year-old criminal mastermind Artemis Fowl. Could this be the new Harry Potter?


CNN.com Entertainment

The Anti-Potter: Author creates 'Fowl' fantasy hero

June 26, 2001 - By Jayne L. Bowman

(CNN) -- Is it possible that Artemis Fowl isn't "Ireland's answer to Harry Potter," or whatever he's been called by every book reviewer this side of Atlantic?


Zum Anfang - KJL-Inhaltsverzeichnis - Klaus Dautel - ZUM Internet e.V.

2001

Ohne ein bisschen Werbung geht es nicht. Ich bitte um Nachsicht, falls diese nicht immer ganz themengerecht sein sollte.
Dautels ZUM-Materialien: Google-Fuss

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