Gattungstheoretische und erzähltechnische Aspekte:
Um was für eine Art von ROMAN handelt es sich bei "Gestern war
Heute"? Eine Chronik: Die Ereignisse werden entlang von Jahreszahlen
erzählt
Ein Gesellschafts- und Geschichtspanorama: Hundert Jahre deutsche Geschichte
Ein Entwicklungsroman mit autobiografischen Zügen
Ein Werk der Frauenliteratur: Ein Beispiel weiblicher Ästhetik?
Worum geht es in diesem Roman?
Um das Überleben in schwierigen Zeiten
um die Beziehung zwischen Männern und Frauen (gestaffelt nach
Generationen)
um die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern
um die ICH-Findung einer Frau (Selbstverwirklichung auf wessen
Kosten?):
- Wann kann frau ICH sagen?
- Wieviel ICH ist einer Frau und Mutter gestattet?
- Warum kann eine Frau nicht so egoistisch sein wie ein Mann?
Wie wird erzählt?
Leitmotivisch, z.B. "eine Rolle lernen" (S.201), ICH-Sein, Onkel
Paul, Petersburg 1905
wechselnde Erzählperspektiven: Meistenteils personale,
gelegentlich auch auktoriale Erzählsituationen,
dokumentarischer Erzählstil einerseits (mit Vorliebe zu Beginn von
Kapiteln) und subjektiv-sprunghaftes Erzählen andererseits
Ineinander von Reflexionen, Empfindungen, Erinnerungen, Beobachtungen:
- subjektiv, d.h. nicht um Ausgewogenheit bzw. objektive Darstellung bemüht
- fragmentarisch, d.h. nicht um Vollständigkeit bemüht
- assoziativ, sprunghaft, d.h. nicht streng an linearen Ereignisabfolgen
orientiert
Fachbegriffe: erlebte Rede, innerer Monolog, Bewusstseinsstrom
Wie kann die Sprache dieses Romans beschrieben werden?
- Syntax: stark parataktisch
- z.T. unvollständige, d.h. Verb-lose Sätze
- Reihungsprinzip: Wiederkehrende Satzanfänge (Anaphern),
Was ist der Zweck solchen Erzählens?
Warum kein lineares Erzählen, keine einheitliche auktoriale Perspektive?
Zuerst der generelle Zweifel moderner Schriftsteller an der
angemessenen Darstellbarkeit von Wirklichkeitszusammenhängen:
a) Die
Welt ist kein geordnetes, in sich schlüssiges Ganzes, welches nur
ästhetisch wiedergespiegelt werden müsste
b) Geschichte ist keine zwingende Abfolge von notwendigen Ereignissen, sondern eine
nachträgliche Konstruktion von Sinn, die in Form erzählter
Geschichten erfolgt
c) Wirklichkeit wird auch von niemandem als schlüssiger Zusammenhang
erfahren.
Der moderne Leser ist aktiver Leser, der die einzelnen Informationen zu
einem bzw. zu SEINEM Gesamtbild, seinem persönlichen Lese-Mosaik
zusammenfügt.
Der Sinn eines Textes entsteht/bildet sich im Prozess des Lesens
selbst als Interaktion von Text, Leser und Lesekontext.
Über hilfreiche Reaktionen freue ich mich:
Klaus Dautel